Transgenerationale Weitergabe oder Vererbung, die ganze Kriegskinder- und Kriegsenkel-Thematik und dadurch vererbte Traumata bekommen in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit. 
Zu recht – wie ich finde – denn es ist ein Bereich, der viele Erkenntnisse und Schätze und damit große Erleichterung und wesentliche Lebensveränderung für die Betroffenen bereithält. 
Im Zuge dessen wird auch immer wieder darüber gesprochen, dass Gefühle, Symptome, Traumata und Themen, die in unserer heutigen Generation auftauchen, nicht zwangsläufig “unsere” sein müssen. Das bedeutet, dass sie nicht bei uns entstanden sind, sondern dass sie schon von ein, zwei oder noch mehr Generationen an uns weitergegeben wurden. 

In diesem Blogartikel versuche ich, ein wenig Licht ins Dunkel dieser transgenerationalen Weitergabe zu bringen. Da unsere großen Themen, mit denen wir im Leben zu kämpfen haben, aber selten ihre Ursache nur an einer Ecke haben, werde ich auch ein wenig auf die Verbindung zur frühkindlichen Prägung eingehen, die oft einhergeht mit den an uns weitergegebenen Geschichten aus Vorgenerationen. 

Falls du allgemein zum Thema mehr lesen möchtest, schau dir gerne meinen Blogartikel „Was ist ein transgenerationales Trauma“ an.

Wie erkenne ich transgenerationale Weitergabe?

Das ist wohl die brennendste Frage zu diesem Thema, denn dass wir alle Themen / Gefühle oder eventuell sogar Traumata unserer Vorgenerationen in uns tragen, das ist inzwischen sehr vielen Menschen klar. 

Zunächst ganz wichtig: es muss nicht immer ein Trauma sein, das wir von unseren Vorfahren geerbt haben. Es können auch weniger belastende Gefühle / Denk- und Verhaltensweisen sein, die uns trotzdem in unserem heutigen Leben einschränken und uns davon abhalten, wirklich den ureigenen Weg zu gehen. 

➡️ Aber wie unterscheide ich ein in mir entstandenes Thema von einer Vererbung?

➡️ Woher weiß ich, dass das nicht meine Erziehung oder verdrängte Erlebnisse aus meinem Leben sind, die sich da bei mir bemerkbar machen?

➡️ Auf welche Art und Weise kann ich in Erfahrung bringen, was da wirklich in meiner Familie passiert ist, was ich heute noch in mir trage?

Ja, das sind lauter spannende Fragen und genau die gilt es zu klären, wenn wir uns mit transgenerationaler Vererbung beschäftigen. 
Es gibt ein paar Anhaltspunkte, die darauf hinweisen, dass es sich um eine transgenerationale Weitergabe handeln KÖNNTE. 
Ich schreibe bewusst “könnte”, denn um das zu überprüfen, braucht es meist einen tiefergehenden Austausch und Unterstützung von außen (mehr dazu später). 

Mögliche Hinweise für eine transgenerationale Weitergabe

  • du reagierst in einer (oft harmlosen) Alltagssituation mit extremen Gefühlen / körperlichen Symptomen – es gibt aber keine Verbindung zu einem Erlebnis in deinem eigenen Leben
  • es passieren in deinem Leben immer wieder “zufällig” die gleichen Dinge (z.B. jedes Mal, wenn du gerade finanzielle Sicherheit erreicht hast, kommt eine große Reparatur oder es passiert irgendetwas anderes, was plötzlich viel Geld kostet)
  • du weißt schon, dass du in einer Situation gerne anders reagieren würdest, hast dir die Themen in deinem Leben schon angeschaut und schon eine klare Handlungsalternative erarbeitet – trotzdem funktioniert es im Ernstfall wieder nicht
  • du spürst, dass du gerne irgendwo in deinem Leben einen anderen Weg gehen / anders entscheiden oder handeln würdest, aber irgendetwas in dir hält dich davon ab
  • bestimmte Geräusche oder Situationen lösen plötzlich Unruhe oder Angstzustände in dir aus
  • du träumst immer wieder von Dingen, die du selbst nie erlebt hast
  • du hast körperliche / seelische Symptome, die ärztlich abgeklärt sind und für die es offiziell keine Ursache gibt

Ehrlich gesagt können all diese Anhaltspunkte auch auftreten, wenn ein sehr gut verstecktes Thema in deinem eigenen System wohnt. Verdrängung ist ein extrem starker Mechanismus, der dazu führt, dass Menschen keinerlei Erinnerung haben an Dinge, die sie selbst erlebt haben. 
Entweder, weil diese Dinge so heftig waren, dass das System sie aus Schutzgründen abgespalten hat oder weil sie so früh passiert sind, dass das kleine System noch nicht damit umgehen konnte, was auch zur Abspaltung führte. 

Forschung in der Vergangenheit

Eine Möglichkeit, ein wenig Licht in die Angelegenheit zu bringen, ist das Gespräch mit Vorfahren. Meiner Erfahrung nach sind viele Geschichten in der Familie unausgesprochen und kommen erst ans Tageslicht, wenn wir den Raum dafür öffnen oder aktiv nachfragen. 

Mit den folgenden Fragen kannst du erste Nachforschungen anstellen: 

➡️ Wann sind deine Eltern geboren?
➡️ Wie sind sie aufgewachsen?
➡️ In welcher Gegend? In welchen Verhältnissen?
➡️ Was ist ihre Grundhaltung dem Leben gegenüber?
➡️ Wann sind deine Großeltern geboren?
➡️ Wie war ihre finanzielle Situation?
➡️ Welche Berufe hatten sie?
➡️ Gab es Flucht / Kriegserlebnisse / Hunger?
➡️ In welcher Besatzungszone haben sie gelebt?
➡️ Gab es frühe Todesfälle in der Familie?
➡️ Gibt es ungeklärte Beziehungssituationen?
➡️ Gibt es Konflikte, die über lange Zeit existieren?

➡️ Wie erlebst du deine Eltern / Großeltern?
➡️ Welche Sätze sind typisch für sie?
➡️ Welches Verhalten ist akzeptiert / welches wird abgelehnt?
➡️ Welche Rolle spielen Gefühle / Emotionen und deren Ausdruck?
➡️ Was ist im Familienfeld erlaubt / was ist verboten?

Deine Intuition weist dir den Weg

Die Reaktionen, die du auf diese Fragen bekommst, können ebenfalls sehr aufschlussreich sein. Achte auch auf dein Gefühl, das du beim Zuhören hast. 

➡️ Hast du das Gefühl, du hörst die Wahrheit oder eine erzähl-taugliche Version?
➡️ Wie reagiert jemand, wenn du ihn / sie auf ein bestimmtes Thema ansprichst? Mit Offenheit? Ablehnung? Scham?
➡️ Wo existiert gefühlt überhaupt kein Wissen mehr, obwohl die entsprechenden Menschen noch leben und ansprechbar sind?

Oft wirst du beim Zuhören merken, wie bestimmte Geschichten in deinem System andocken. Du erkennst vielleicht Verhaltensweisen, Denkweisen oder Gefühle, die damals absolut sinnvoll und logisch waren. In deinem Leben heute sind sie aber vollkommen unangebracht. 
Es ist schwer zu beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn du auf der Spur einer transgenerationalen Weitergabe bist. 
Viele beschreiben es als eine Mischung aus Erleichterung, Erkenntnis und einem Gefühl in ihrem Körper, endlich einen Anhaltspunkt für ihre Zustände gefunden zu haben. Manchmal geht das einher mit einer besonderen Verbundenheit zu dem Menschen, der die ursprüngliche Geschichte erlebt hat. 

Eine Frau schaut in einen Spiegel, der im Gras liegt. Der Spiegel ist ganz. Ein Sinnbild für das Erkennen von transgenerationaler Weitergabe im eigenen System.
Aus einem Puzzle mit vielen Einzelteilen fügt sich im Lauf der Zeit ein vollständiges Bild.

Transgenerationale Weitergabe oder frühkindliche Prägung?

Wie oben schon erwähnt, gibt es ganz viele Themen, die nicht eindeutig zugeordnet werden können, weil sie ihren Ursprung sowohl in einer transgenerationalen Weitergabe als auch in einer frühkindlichen Prägung haben könnten. 

Eigentlich logisch, denn wenn ein Thema mit seinen Denk- und Fühlweisen in einer Familie aktiv ist und weitergegeben wird, dann richtet sich auch das Verhalten danach. Dementsprechend werden die nachfolgenden Generationen in ihrem frühkindlichen Dasein mit dem Hintergrund dieser Weitergabe behandelt. 

Und so vermischt sich die ganze Geschichte. 

Das ist für mich der Grund, warum ich immer aus beiden Richtungen auf die Themen schaue. Denn wo für diesen Menschen, der da vor mir sitzt, gerade der richtige Ansatzpunkt ist, lässt sich erst in der gemeinsamen Arbeit feststellen. Oft kommt es drauf an, wo mehr Informationen vorhanden sind und wo wir den Verstand leichter mitnehmen können, was meist die Arbeit erleichtert. Denn wenn der Verstand sich quer stellt, dann ist es schwerer an die Informationen aus dem Unterbewusstsein zu kommen.

Die Verwirrung im eigenen Feld – warum Unterstützung von außen so wichtig ist

Dein Leben ist für dich normal. Es kann zwar sein, dass du an der ein oder anderen Ecke spürst, dass da etwas anders sein könnte, aber meistens fühlt es sich doch recht vertraut an. 
Dass da ein gröberes Thema schlummert, merken wir erst, wenn es im Außen kracht und holpert und wir plötzlich oder immer wieder vor Herausforderungen stehen, die sich mit unserem üblichen Werkzeug nicht mehr bewältigen lassen

Oft ist genau das der Punkt, an dem transgenerationale Weitergabe und / oder frühkindliche Prägung ins Spiel kommen. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen: dieses Feld ist riesig und am Anfang sehr unübersichtlich. 
Deshalb ist meine Empfehlung immer: hol dir Unterstützung von außen

Ich habe diesen Bereich seit mittlerweile 6 Jahren als festen Bestandteil in meinem Leben integriert. Inzwischen weiß ich sehr viel über meine Familie, ihre Prägungen und meine eigene Kindheitsgeschichte. Ich habe viele verdrängte Gefühle gespürt und die meisten Themen, die sich zeigen, sind gute alte Freunde für mich. 
Trotzdem hole ich mir in regelmäßigen Abständen Unterstützung von außen. Denn wir alle haben blinde Flecken und sehen und spüren Dinge in unserem eigenen Feld verzerrt oder gar nicht. 

Alleine ist die Beschäftigung oft mühsam und kräftezehrend – mit Unterstützung geht vieles leichter, auch das Aufspüren einer transgenerationalen Weitergabe.

Transgenerationale Weitergabe – die richtige Begleitung finden

Hier noch ein paar Tipps, worauf du – meiner Meinung nach – achten solltest, wenn du nach einer geeigneten Begleitung für dein Thema suchst:

  • Hat dieser Mensch sich schon mit der eigenen Familiengeschichte und den eigenen Themen auseinandergesetzt?
    ➡️ Ist aus meiner Sicht ein Muss, weil es Projektionen verhindert und dafür sorgt, dass jemand einen offenen und sicheren Raum herstellen und halten kann – ganz egal, welche Themen aufkommen. 

  • Wie viel Raum hast du für deine eigene Forschung? Bekommst du offene Fragen gestellt? Gibt es Vorschläge oder werden viele Aussagen gemacht?
    ➡️ Der Mensch schließt meistens von sich auf andere. Viele Menschen gehen davon aus, dass die Themen, die sie bei sich erforscht haben, bei anderen Menschen genauso existieren. Natürlich sehen wir am ehesten das, wohin wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Genau deshalb ist es aber wichtig, dass es viele offene Fragen gibt, die dir den Raum lassen, deine EIGENE Geschichte zu erforschen

  • Was passiert, wenn es an einer Ecke nicht weitergeht, dein Gefühl aber immer noch sagt, dass da irgendwas ist?
    ➡️ Kommt irgendwann der Punkt, wo offiziell nichts gefunden wurde? Oder gibt es verschiedene Methoden und Herangehensweisen, um die Ursachen für dein Gefühl zu erforschen? Zur Erinnerung: Transgenerationale Weitergabe ist EINE Ursache von vielen und vielleicht für dich gerade nicht der richtige Ansatz. 

  • Welche Rolle spielt der Körper in der ganzen Arbeit? Geht es nur ums Verstehen oder auch ums Spüren?
    ➡️ Tiefsitzende Themen sind immer in unseren Zellen gespeichert. Dort kommen wir mit dem Verstand nicht hin. Es ist zwar hilfreich, das Thema, die Ursachen und Vorgeschichten zu verstehen, aber es verändert nichts in der Tiefe der Zellen. Im Zweifel kickt immer wieder das alte Muster rein. Deshalb ist es – aus meiner Sicht – absolut notwendig, den Körper in die Arbeit mit einzubeziehen. Es geht darum, die neuen Gefühle, das neue Denken, das neue Verhalten wirklich zu spüren und ein Körpergefühl dafür zu entwickeln. 

  • Welche Rolle spielen Ressourcen und innere Sicherheit in der Arbeit? Fühlst du dich sicher und aufgehoben oder überfordert und allein gelassen?
    ➡️ Deine innere Sicherheit IST oberste Priorität. Immer. Wenn du dich unwohl fühlst, dich ein Gefühl, eine Erinnerung überfordert, MUSS es sofort eine Pause geben. Außerdem ist es wichtig, dass du in deiner (Selbst-)Regulation unterstützt wirst. Das gilt auch, wenn im Nachhinein noch etwas aufploppt. Dann muss es eine Möglichkeit für dich geben, das zu besprechen und zwar VOR der nächsten Sitzung.
    Es darf nie die Neugier, der Zeitdruck oder die Angst, dass nichts gefunden wird, den Prozess führen. 

Falls ich die richtige bin 😉

Wahrscheinlich kannst du dir schon denken, dass ich all diese Prinzipien in meiner Arbeit berücksichtige. Trotzdem gebe ich dir hier eine Zusammenfassung, weil es sein kann, dass du dir lieber jemand anderen für deine Begleitung suchst. 

Das ist völlig ok, denn es ist wichtig, dass du da auf dein Bauchgefühl hörst. 

Magst du trotzdem schauen, ob wir zusammenpassen, dann meld dich gerne bei mir. Im Moment bin ich in der Babypause, aber ich setz dich gern auf die Warteliste für die Zeit danach. 

Schreib mir einfach eine Mail an: befreit@generose-sehr.com

Generose Sehr

Sängerin und Spezialistin für den emotionalen Deep Shit

Ich brenne dafür, Menschen dabei zu unterstützen ihren ureigenen Weg zu finden und echtes Selbst-Bewusst-Sein zu entwickeln – abseits von Gesellschaftsmustern, familiären Prägungen und „das macht man halt so“. Mein Herz schlägt für Visionär*innen und Menschen, die das Gefühl haben, in unserer Gesellschaft fehl am Platz zu sein.
Ich selbst bin Entwicklungsjunkie und süchtig nach neuem Wissen und neuen Erfahrungen. Das hat dazu geführt, dass ich nach meinem Studium in Gesangspädagogik noch eine Ausbildung in Craniosaraler Körperarbeit und den Epigenetik Coach angehängt habe und da stehen noch ein paar mehr Dinge auf meiner Liste.
Ich schreibe hier über transgenerationale Vererbung, frühkindliche und pränatale Prägungen und wie sich das auf unser Leben auswirkt. Außerdem erzähle ich gerne meine eigenen Geschichten (oder die meiner Klient*innen), um zu zeigen, wie wir den alltäglichen Herausforderungen des Lebens begegnen können.

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