“Das hab ich geerbt, da kann ich nix machen.”

Mit diesem Satz und der daraus resultierenden Einstellung sind wir aufgewachsen:

Wir erben unsere Gene und die sind nicht veränderbar. 

Auf der einen Seite ist das natürlich vollkommen richtig. Unsere Gene sind nicht veränderbar. 

Und wenn wir uns eine der neueren Wissenschaften anschauen – die Epigenetik – dann wird klar, dass wir diesen Satz so nicht mehr unterschreiben können. 

Das, was früher als “Junk-DNA” bezeichnet wurde, ist nach den heutigen Erkenntnissen der Wissenschaft ausschlaggebend für die Aktivierung und Deaktivierung unserer Gene.

Wissenschaftliche Artikel gibt es inzwischen zu Genüge zu diesem Thema, deshalb werd ich mich hier mit kompliziertem Fach-Geschreibsel ziemlich zurückhalten und möglichst praxisnah erklären, wie Epigenetik funktioniert, was das für uns bedeutet und wie wir Einfluss auf unsere epigenetischen Prozesse nehmen können. 

Was ist die Epigenetik?

Die Epigenetik liegt sozusagen über unserer DNA und ist genauso vererbbar. 

In den biochemische Strukturen sind Informationen gespeichert, die sich auf Eigenschaft und Stoffwechsel einer Zelle auswirken und diese nachhaltig verändern können. 

Die Definition des Freiburger Epigenetikers Thomas Jenuwein ist:

“Epigenetik ist die Weitergabe erworbener Information ohne Veränderung der DNA-Sequenz.”

Ganz vereinfacht dargestellt bestimmen die epigenetischen Mechanismen, welche Gene in den aktivierbaren oder nicht aktivierbaren Modus versetzt werden. 

Sind Gene im aktivierbaren Modus, können sie abgelesen und reproduziert werden. Sind sie im nicht aktivierbaren Modus, sind sie stumm geschaltet und können damit nicht mehr abgelesen oder reproduziert werden.

Für unsere Gesundheit ist es wichtig, dass genau die richtigen Gene an- oder abgeschaltet sind. So sollten zum Beispiel Gene, die das Krebszellenwachstum verhindern, angeschaltet und jene, die das Krebszellenwachstum fördern, abgeschaltet sein.  

Das allein ist schon unendlich spannend, aber jetzt kommt erst der Knaller:

“Doch weil die Zellen ihre epigenetischen Markierungen zudem als Reaktion auf Signale, die von außerhalb des Körpers kommen – etwa Ernährung, Klima oder Stress – verändern können, besitzen Zellen dank ihrer wandelbaren Epigenome eine Art Gedächtnis für Lebensstilfaktoren und Umwelteinflüsse.”

Peter Spork – Gesundheit ist kein Zufall – S. 356

Das bedeutet: Höchstwahrscheinlich hat der Lebensstil und die Umwelt unserer Vorfahren ganz wesentliche Auswirkungen auf unsere heutige Genaktivität.

UND: Wenn die epigenetischen Strukturen auf Ernährung, Klima oder Stress – also auf unsere Umwelt und unseren Lebensstil – reagieren, dann haben wir hier und heute jederzeit die Möglichkeit, unsere Genaktivität positiv zu beeinflussen. 

Und nicht nur unsere eigene, sondern auch die unserer Kinder. 

Findest du das auch so faszinierend wie ich?

Welche Möglichkeiten haben wir aber nun, um auf unsere Epigenetik einzuwirken?

Da möchte ich gleich vorweg schicken: Es gibt nicht DEN EINEN Bereich, der unsere Epigenetik beeinflusst, sondern es ist ein komplexes Zusammenspiel aus verschiedenen Richtungen, die alle miteinander in Wechselwirkung gehen. 

Die Aufzählung hier ist nicht nach Prioritäten geordnet. 

Wenn ich aus Sicht der Begleiterin schreibe, dann hat für mich der Bereich die höchste Priorität, wo die Umsetzung mit den Klient*innen am leichtesten und schnellsten gelingt. Und das ist ganz sicher von Mensch zu Mensch unterschiedlich.

1.) Nutri-Epigenetik

“Du bist was du isst”. Den Spruch hast du wahrscheinlich schon mal gehört. Und aus epigenetischer Sicht ist der erschreckend wahr. 

Ich halt mich kurz und logisch: Für eine gesunde Verschaltung unserer Gene werden bestimmte Stoffe in unserem Körper gebraucht. Diese können wir über unsere Nahrung zuführen (oder eben auch nicht).

Und dann gibt es noch Stoffe, die Funktionen in unserem Körper eher behindern. Die können wir auch über unsere Nahrung zuführen.
Das tun wir in unserer Gesellschaft leider viel zu häufig. 

Wichtige Stichworte sind hier: 

  • Balance von Omega 3 und Omega 6-Fettsäuren versus zu viele Transfette
  • Zucker und seine Auswirkungen aufs Darm-Mikrobiom
  • Zufuhr von Antioxidantien (hilfreich) oder Giftstoffen (gar nicht hilfreich) über die Nahrung

Hier gibt es einen recht ausführlichen Artikel zum Zusammenhang von der Ernährung mit unserer Epigenetik.

2.) Psycho-Epigenetik

Kleine Frage für dich. Du kannst einfach aus dem Bauch heraus antworten:

Was hat mehr direkten Einfluss auf dein tägliches Wohlbefinden – deine Ernährung oder deine Laune?

Und wie in etwa ist die Gewichtung der beiden in ihrem Einfluss auf dich?

Wenn du so tickst, wie die meisten Menschen, die diese Frage schon mal beantwortet haben, dann hast du dich klar für die LAUNE entschieden. 

In einer Gewichtung von 70:30 oder 80:20 (Laune:Ernährung). 

Deine Laune ist nichts anderes als ein Ausdruck deiner Psyche. 

Ich sag jetzt hier nicht, dass die Psyche wichtiger ist als die Ernährung, aber unser subjektives Empfinden ist so.

Und dafür hat das Thema psychische Gesundheit in unserer Gesellschaft eindeutig einen zu niedrigen Stellenwert – finde ich zumindest!

Wie hängt das mit der Epigenetik zusammen?

Für den Stressabbau im Körper werden unter anderem Stoffe benötigt, die auch für die DNA-Methylierung notwendig sind. 

Ist unser Stresslevel hoch, dann werden zu viele dieser Stoffe für den Stressabbau benötigt und stehen für die Methylierungsprozesse nicht mehr zur Verfügung. 

Die mögliche Folge: eine fehlerhafte Verschaltung der Gene. 

Was ist Stress eigentlich?

Bestimmte Gedanken und Gefühle lösen im Körper biochemische Reaktionen aus. Sind wir den gesamten Tag mit belastenden Gefühlen und Gedanken beschäftigt, dann stellt unser Körper – ganz vereinfacht formuliert – Stoffe her, die uns auf Dauer krank machen.

So lässt sich auch ganz einfach erklären, warum bei der Entstehung der allermeisten Krankheiten die Psyche eine riesengroße Rolle spielt. 

Über Gedanken erschaffen wir Erfahrungen und über Erfahrungen erschaffen wir Gedanken. 

Denke ich aber immer die gleichen Gedanken, werden im Körper ständig die gleichen Botenstoffe produziert, die mir immer wieder die gleiche Erfahrung bescheren. 

Es gibt also im Endeffekt zwei Punkte, um etwas zu verändern: 

  • neue Gedanken denken
  • neue Erfahrungen machen

Die allermeisten Coaches und Begleiter*innen im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung setzen beim ersten Punkt an. 

Verändere dein Mindset und du wirst dein Leben verändern. 

Aus meiner Erfahrung ist das oft nicht ausreichend, weil die meisten unserer negativen Erfahrungen im Unterbewusstsein gespeichert sind und das lässt sich nicht so leicht “austricksen”. 

Deshalb arbeite ich mit meinen Klient*innen meistens von beiden Richtungen. Oft ist es hilfreicher, zuerst die neuen Erfahrungen zu machen, diese wirklich im Körper zu spüren und dann zu schauen, ob die alten Gedanken überhaupt noch zu dieser neuen Erfahrung passen, oder ob es nicht auch Zeit für neue Gedanken wird. 

Du siehst schon: Hier bin ich zu Hause. Das ist mein Steckenpferd und da wirds ganz sicher auch nochmal einen ausführlichen Artikel dazu geben. 

3.) Transgenerationale Epigenetik

Wenn du eine Frau bist, dann warst du schon als Eizelle in der Gebärmutter deiner Großmutter. 

Echt jetzt?

Ja! Wir Frauen tragen vor der Geburt die meisten Eizellen in uns, diese werden dann im Laufe des Lebens weniger. Das heißt, du als Eizelle warst schon in deiner Mama, als sie noch im Bauch deiner Oma war. 

Kurze Pause zum sacken lassen 😉

Dementsprechend wirken auch die gleichen Umwelteinflüsse auf diese drei Generationen. 

Es wurde inzwischen jedoch auch in Studien mit Mäusen nachgewiesen, dass Traumatisierungen – auch von Vaterseite – über mehrere Generationen weitergegeben werden. Und das ohne, dass diese Kinder- und Enkel-Mäuse Kontakt zu ihrem traumatisierten Vorfahren hatten. 

Obwohl es so direkt am Menschen noch nicht bewiesen wurde, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass diese Art von epigenetischen Experimenten mit großer Sicherheit auf den Menschen übertragbar ist, da Mäuse uns genetisch gesehen zu 96% ähnlich sind. 

Manche mögen es für Hokuspokus halten, doch die Erfahrung meiner Arbeit zeigt eindeutig, dass wir uns auch an Erfahrungen “erinnern” können, die wir nie aktiv gemacht haben und von denen wir nichts wissen. 

In der gemeinsamen Arbeit versuchen wir oft, unerklärliche Gefühlszustände den Vorgenerationen zuzuordnen. Da es meist an Wissen diesbezüglich mangelt, sind wir auf unbewusste Körpererinnerungen angewiesen.

Häufig ist es dann so, dass plötzlich in der Familie Wissen zu genau dieser Thematik auftaucht und die unbewussten Körpererinnerungen mit den aktiven Erinnerungen der älteren Familienmitglieder übereinstimmen. 

Mehr zu diesem Thema findest du in meinem Artikel: In unser aller Zellen steckt noch der Krieg

Diese drei Bereiche sind aus meiner Sicht die größten Einflussfaktoren auf unsere Epigenetik. 

Nachdem dieser Blogartikel aber eine Übersicht liefern soll, möchte ich noch kurz der Vollständigkeit halber mit ein paar Sätzen auf die weiteren Bereiche eingehen.

4.) Physio-Epigenetik

Es gibt schon einige Studien, die zeigen, wie stark sportliche Aktivitäten Einfluss auf unsere epigenetischen Prozesse im Körper nehmen.

Der Einfluss auf die Physiologie und die Psyche ist ja schon weithin bekannt, es konnte allerdings inzwischen festgestellt werden, dass allein ein tägliches 20 Minuten-Training auf dem Fahrrad-Ergometer bestimmte Gene in Muskel- oder Fettzellen positiv beeinflusst.

5.) Sozio-Epigenetik

Gesunde und vertrauensvolle Beziehungen fördern unsere Gesundheit. 

Durch sie wird vermehrt Oxytocin in unserem Körper gebildet und dieses Hormon kann so richtig viel.

Ein hoher Oxytocinspiegel

  • ruft positive Gefühle hervor (es wird nicht umsonst auch umgangssprachlich das “Kuschelhormon” genannt)
  • verringert Angstgefühle 
  • dämpft Schmerzen
  • führt zu mehr Gelassenheit
  • senkt den Blutdruck
  • ist entzündungshemmend
  • regt die Selbstheilungskräfte im Körper an

Die Zusammenhänge sind schnell hergestellt. All diese Auswirkungen führen im Endeffekt dazu, dass die Prozesse in unserem Körper runder laufen und dass nicht unnötig Stoffe verbraucht werden, die an anderer Stelle nötig sind. In letzter Konsequenz hat das dann wieder Auswirkungen auf die epigenetischen Verschaltungen unserer Gene.

6.) Schlaf

Auch der Schlaf zählt sozusagen zu den Co-Faktoren einer gesunden Epigenetik und ist eng verknüpft mit Ernährung, Psyche und Bewegung. 

Im Schlaf laufen in unserem Körper viele überlebenswichtige Prozesse ab. Können diese aufgrund von Schlafmangel oder schlechter Schlafqualität nicht stattfinden, hat das weitreichende Auswirkungen auf unsere Gesundheit. 

Auch hier ist es wieder ganz logisch: Können die wichtigen Reparatur- und Aufräumarbeiten im Körper nicht stattfinden, ist wiederum der gesunde Verlauf anderer wichtiger Prozesse im Körper gestört. Es werden Giftstoffe nicht ausreichend abgebaut oder es können nicht genug wichtige Stoffe hergestellt werden.

Das hat ganz am Ende der Kette dann wieder eine ungünstige Auswirkung auf unsere epigenetischen Mechanismen.


Auch unser Vitamin-D-Haushalt spielt in Bezug auf unsere Epigenetik noch eine wichtige Rolle, aber da steigen wir dann schon sehr tief in die biochemischen Prozesse ein. Deshalb lass ich das hier mal außen vor. 

Für mich persönlich ist die Wissenschaft der Epigenetik der Inbegriff der Selbstbestimmung. 

Es gibt so viele verschiedene Wege, wie wir ganz aktiv Einfluss nehmen können auf unser Leben und unsere Gesundheit. Und schon die kleinste Veränderung in einem dieser Bereiche bringt dich deinem selbstbestimmten Weg ein Stück näher. 

Hast du Fragen?

Oder möchtest du für dich schauen, wie du dein Leben mehr in Richtung Selbstbestimmung lenken kannst?

Hinterlass mir gern einen Kommentar oder schreib mir eine Nachricht!

Consent Management Platform von Real Cookie Banner