Der Juli war ein besonderer Monat für mich. Vermutlich ist das der Grund, warum ich das erste Mal wirklich Lust habe, einen Monatsrückblick zu verbloggen.
Musikalische Höhepunkte, menschliche Höhepunkte und ein richtig großes erstes Mal geben diesem Monat seine Einzigartigkeit. Viel Spaß beim Lesen wünsch ich dir!
Leipzig – in den Fußstapfen des Großmeisters Bach
Ich weiß noch, wie im Januar die Anfrage kam: Magst du bei der CD-Aufnahme in Leipzig im Juni/Juli mitwirken? Bach im Ensemble in der Thomaskirche – direkt dort, wo viele dieser Werke (ur-) aufgeführt wurden.
Gerade frisch schwanger rechnete ich und stellte fest: da werde ich gerade im Übergang zum 8. Monat sein. Ein Zeitpunkt, in dem viele andere Frauen in Mutterschutz gehen.
Von Anfang an hielt ich nicht viel von Geheimhaltung. Meine Fehlgeburt im letzten Jahr hatte mir gezeigt, wie wichtig es ist, mit all diesen Themen wirklich offen umzugehen (für mich auf jeden Fall, es gibt sicher Menschen, die sich damit anders fühlen und die das dann auch anders handhaben sollten). Deshalb sprach ich mit dem musikalischen Leiter offen über die Möglichkeiten und Risiken.
Mein Gefühl sagte mir schon damals: das wird gut gehen. Mach das! Also sagte ich zu. Wenn wirklich was sein sollte, dann würde ich sowieso absagen müssen.
Am 29. Juni gings los. Zug nach Leipzig. Am nächsten Tag Soundcheck, die erste Andacht und anschließend der erste Teil der CD-Aufnahme. Mir war klar, dass es anstrengend werden würde. Jeden Tag eine Andacht bzw. ein Konzert mit mindestens 30 Minuten Musikdauer (davor natürlich Probe und Soundcheck) und anschließend – manchmal erst ab 20 Uhr Aufnahme bis in die Nacht – auf jeden Fall immer bis alles im Kasten ist.
Ich hatte Glück. Durch meine Schwangerschaft wurde ich nur für die Tutti-Stücke besetzt, die jeweils am Anfang aufgenommen wurden und kam so zu relativ viel Schlaf in diesen Tagen.
Trotzdem kam ich in den Genuss, eine Solo-Arie in diesen heilgen Hallen zu singen. Am 3. Juli waren wir verpflichtet, am Vormittag in der Messe die passende Kantate “Ein ungefärbt Gemüte” aufzuführen. Gleich die erste Nummer: eine wunderschöne Alt-Arie.
Weil ich – im Gegensatz zu den anderen – nicht bis 3 oder 4 Uhr nachts in der Kirche zur Aufnahme stand, übernahm ich dieses Solo.
Das war nicht nur ein Juli-Highlight, sondern ein absolutes Lebens-Highlight.
Und weißt du was: ich weiß nicht mal, ob es davon eine Aufnahme gibt, oder ob dieser Moment einfach für immer einfach nur in meinem Inneren gespeichert sein wird.
Eine Nachtschicht hatte ich dann doch noch am letzten Tag – da starteten wir erst um 1 Uhr in der Nacht mit der Tutti-Besetzung und nahmen bis kurz vor 3 Uhr auf.
Im Bett war ich dann erst nach 4.
Ein klassischer Fall von: DAS WARS WERT!!!
Berlin – 2 wertvolle Erkenntnisse fürs Leben
Ich wollte noch ein bisschen das Leben und meine Freiheit genießen, bevor sich bald alles ändern wird und so hängte ich an Leipzig noch ein paar Tage Berlin an.
Der Plan: erstmal von der CD-Aufnahme erholen, gemütlich arbeiten und Menschen treffen.
Ich hatte ein wunderschönes Privat-Quartier in Köpenick, quasi direkt an der Müggelspree. In den letzten Jahren hab ich immer wieder festgestellt, wie stressig große Städte für mein Nervensystem sind. Deshalb such ich mir inzwischen immer Unterkünfte, die weiter draußen liegen, am liebsten mit direktem Natur-Zugang.
Arg viel mehr gibts auch nicht zu erzählen. Der Körper forderte mehr Erholung als gedacht. So kam das Arbeiten ein wenig zu kurz, weil das Treffen mit Menschen doch noch Priorität hatte.
Zwei spannende Erkenntnisse auf der Reise möchte ich doch noch teilen:
Erkenntnis Nummer 1: Verbindung hat nicht zwingend mit der Häufigkeit des Kontakts zu tun
Das Treffen mit zwei Jugendfreunden hat mir gezeigt, dass es ganz egal ist, wie lange man einen Menschen nicht gesehen hat.
Viel wesentlicher ist, ob wir in der Zwischenzeit andere Richtungen eingeschlagen haben oder uns ähnliche Themen beschäftigen. Ganz egal, wie eng die Verbindung früher war: wenn sich die Prioritäten im Leben verschieben und wir uns in unterschiedliche Richtungen entwickeln, dann wirkt sich das auf unser Miteinander aus. Es fehlt der (tiefgehende) Gesprächsstoff und wir sind darauf angewiesen, alte Geschichten auszugraben.
Das ist völlig in Ordnung so, auch wenn ein Teil von mir das erstmal als irritierend und sogar leicht schmerzhaft emfand.
Ich habe bei diesem Treffen beides erlebt: tiefgehendes Gespräch von Minute 1 und gefühlte Ratlosigkeit, weil so wenig Gemeinsamkeiten noch vorhanden sind.
Ich bin froh, das so klar erlebt zu haben, denn jetzt fällt es mir wesentlich leichter, zu akzeptieren, dass manche Menschen – ganz egal, wie eng die Verbindung auch ist – vielleicht nur für einen bestimmten Abschnitt in meinem Leben sind und dass das genau richtig so ist.
Erkenntnis Nummer 2: Missstände fallen einem erst auf, wenn man davon betroffen ist
Im 8. Monat schwanger mit einem großen Koffer im Zug und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Berlin unterwegs zu sein, war zeitweise ganz schön herausfordernd.
Defekte Aufzüge, gar keine Aufzüge, nicht funktionierende Rolltreppen, schlechte Beschilderungen, überfüllte Busse und Bahnen.
Alles kein Problem bei normalen körperlichen Voraussetzungen.
Die Bandbreite der Reaktionen war enorm. Riesengroße Hilfsbereitschaft und vorausschauendes Handeln auf der einen Seite und offene Ignoranz gegenüber meines “Zustandes” auf der anderen Seite.
Was ich gelernt habe:
- mehr Zeit einplanen
- öfter nachfragen
- aktiv Menschen um Hilfe bitten
- ein klein wenig mehr Weitblick für Menschen, die Jahr und Tag mit einer Beeinträchtigung leben
Mein Gruppenprogramm – die Erfüllung eines Herzenswunsches
Am 12. Juni startete mein kleines Gruppenprogramm. Ein Wunsch, den ich mir noch selbst vor meiner Babypause erfüllen wollte.
Im Winter hatte ich (wieder mal) festgestellt, dass ich die Arbeit in Gruppen einfach liebe. Dass es so heilsam ist, sich vor anderen Menschen zu öffnen und die eigenen Themen innerhalb eines sicheren Rahmens in einer Gruppe zu bearbeiten.
4 Menschen starteten mit mir auf diese Reise. Am 6. Juli war offiziell unser letzter Termin. Doch wir hatten alle das Gefühl, dass wir zu diesem Punkt die Reise noch nicht beenden konnten. Also tüftelte ich mit meinem Terminkalender weitere 3 Termine aus.
Gut wars. Außerdem war so meine heiß geliebte Gruppe noch Teil meines vorerst letzten Arbeitstages am 31. Juli.
Klient:innen – zwischen Erfüllung und alten Mustern
Eine meiner Business-Jahres-Intentionen für dieses Jahr war: Ausgebucht sein.
Und was soll ich sagen. Natürliche Verknappung funktioniert noch immer. Wenn man das Produkt vom Markt nimmt, dann boomt es auf einmal.
So viele Anfragen und Sessions mit Klient:innen wie in diesem Monat hatte ich gefühlt noch nie.
Vielleicht hat auch meine zeitliche Verknappung eine Rolle gespielt – defacto hatte ich ja nur zwei volle Arbeitswochen zur Verfügung, weil ich die andere Zeit auf Reisen war bzw. in der dritten Woche der Gesangskurs in Grünbach stattfand, der meine volle Aufmerksamkeit beanspruchte.
Trotzdem. Die Warteliste für nach der Babypause ist gut gefüllt.
Ein gutes Gefühl. War ich doch im März, April und Mai schon echt verzweifelt, weil ich eine waschechte Business-Krise hatte.
Ganz ehrlich: ich war kurz davor, mir einen Nebenjob zu suchen.
Gleichzeitig hat diese Phase jetzt mein ehemaliges Helfersyndrom nochmal kräftig getriggert.
Plötzlich waren da Gedanken wie:
“Du kannst doch jetzt nicht auf einmal alle Menschen im Stich lassen und in Babypause gehen.”
“Schau, dass du jetzt noch ganz schnell möglichst alle Probleme lösen kannst.”
“Die brauchen mich doch.”
Schwachsinn!! Ich war lange genug da und verfügbar (tatsächlich sogar so ziemlich immer verfügbar).
Wenn ein Mensch mit seinem System beschließt, einen Prozess zu starten, mit der Aussicht, dass die Begleitung zu einem bestimmten Zeitpunkt wegfällt, dann ist das eine klare und legitime Entscheidung. Entweder, weil das System ein Muster wiederholen möchte (z.B. dass mittendrin die Unterstützung wegbricht) oder weil es sowieso eine Pause im Prozess braucht.
Außerdem darf ich da mein Ego auch ein bisschen einbremsen, denn schließlich bin ich ja nicht der einzige Mensch auf diesem Erdboden, der emotionale Prozesse gut begleiten kann (auch wenn ich weiß, dass ich es auf eine sehr einzigartige Art und Weise tue).
Ich starte auf jeden Fall mit einem sehr guten Gefühl in die Pause und freu mich schon drauf, die Fortschritte, Herausforderungen und neuen Themen nach meiner Pause mit den Menschen anzugehen.
Denn dass meine Arbeit mich wirklich erfüllt und dass ich damit auch genau an der richtigen Stelle bin, das habe ich in den letzten Wochen nochmal deutlich festgestellt.
Gesangskurs – ein Glücksmoment nach dem anderen
5 Jahre in Folge gibt es den Gesangskurs bei der Musikwoche Grünbach jetzt schon. Ursprünglich als Woche für Streicher und Klavier vor 11 Jahren ins Leben gerufen, wurde das Angebot 2019 dann um eine Woche Gesang erweitert.
Die letzten Jahre waren nicht ganz einfach. Gestartet sind wir als Ensemblekurs. Im folgenden Jahr war nicht klar, ob wir als Ensemble überhaupt musizieren dürfen, deshalb wurde der Kurs kurzerhand zum Sologesangskurs für Laien umfunktioniert.
Inzwischen sind wir bei einer guten Mischung angekommen. Der Schwerpunkt liegt auf Ensemble-Gesang, aber es gibt in der Woche für alle Teilnehmer:innen auch Einzelstimmbildung, in der sie auch an solistischen Stücken arbeiten können.
Drei Teilnehmer:innen-Konzerte bieten auf jeden Fall genug Raum, um einige Werke auch zur Aufführung zu bringen.
Auch hier hatte ich von Anfang an das Gefühl: das wird gehen.
Und recht hatte ich. Trotzdem war ich erstaunt WIE gut ich diesen Kurs in meiner 35. Schwangerschaftswoche noch über die Bühne brachte. Waren es doch immerhin gut 30 Unterrichtsstunden, ein eigenes Konzert (am Sonntag stellen sich die Dozent:innen zum Kursstart immer mit einem kleinen Konzert vor) und drei Teilnehmer:innen-Konzerte.
Gerade mal 4 Teilnehmer:innen hatte der Kurs in diesem Jahr und war somit ein richtiges Überraschungsei. Ich wusste vorher nicht, mit welchem Niveau ich rechnen konnte, weil ich zwei aus der Gruppe noch gar nicht kannte.
Am Sonntag nach dem Mittagessen lernten wir uns kennen und ich wählte aus meinen großen Notenstapeln zwei Test-Stücke aus.
“Wirf dein Anliegen auf den Herrn” aus Mendelssohns Elias war das erste herausfordernde Experiment.
Die Stimmenverteilung war günstig: 2 Soprane, 1 Tenor, 1 Bass und den Alt konnte ich selbst übernehmen.
Nach 20 Minuten proben sangen wir testweise die ersten 4 Takte a cappella.
Ich konnte nicht anders: ich musste weinen.
Es war so schön. So sauber und so ausgeglichen.
In diesem Moment wusste ich: die Woche wird der Hammer!!
Viele Rührungsmomente später (ja, die Schwangerschaftshormone haben da meine eh schon vorhandene Anlage kräftig verstärkt) startete ich nach dem Kurs erfüllt und hochmotiviert in meine letzte Arbeitswoche vor der Babypause.
3 – 2 – 1 und Stopp – mit Vollgas in die Pause
Plötzlich waren sie da – die letzten Arbeitstage vor meiner selbstgewählten Babypause ab 1. August.
Es fühlte sich sehr nach Abschied an, obwohl ich ja weiß, dass ich all die Menschen in wenigen Monaten wiedersehen werde.
Aber vielleicht werde ich zu diesem Zeitpunkt schon in gewisser Weise ein ganz anderer Mensch sein. Und sie vielleicht auch.
Es fällt mir schwer, aus meiner heißgeliebten Arbeit auszusteigen.
Und so ganz ohne alles kann ich sowieso nicht. Deshalb gibt es jetzt noch ein paar Projekte, die ich gerne vor Ankunft des kleinen Menschenkinds erledigen möchte:
- meine Website neu gestalten und SEO-tauglich machen
- meine Steuererklärung machen
- ein paar Blogartikel schreiben
- diverse Stapel in der Wohnung aufräumen (die Noten hab ich schon sortiert!!)
Trotzdem darf das alles mit Fokus auf meinen Körper passieren, der jetzt eindeutig Vorrang hat.
Deshalb werde ich genau jetzt, noch bevor ich diesen Blogartikel mit Bildern ausstatte und online stelle, ein Mittagsschläfchen einlegen.
Ein Hoch auf die Babypause!
Mein Monat in Zahlen – just for fun
Zahlen sind oft nichtssagend, weil sie nicht das Erlebte widerspiegeln, aber in diesem Fall fand ich es ganz lustig.
- Nächte nicht zu Hause: 15
- Bauchwachstum: 8,5 cm
- Sessions mit Klient:innen: 26
- Gruppen Sessions: 6
- Unterrichtsstunden: 32
- Konzerte: 3 eigene Konzerte, 3 Teilnehmer:innen-Konzerte auf der Musikwoche Grünbach
- Termine insgesamt: 53 (Unterrichtswoche Grünbach nicht mitgerechnet)
- Kugeln Eis: 10 (das überrascht mich richtig, ich dachte, es wären mehr)
Wenn du Updates zu den neuesten Blogartikeln bekommen willst oder auch erfahren magst, wann ich wieder langsam ins Arbeiten starte, dann meld dich doch gleich hier zu meinem Deep (Shit) Letter an. Viel wird hier in den nächsten Wochen wahrscheinlich nicht passieren, aber wenn mich die Inspiration überkommt, dann sicher hier 😉.
Generose Sehr
Sängerin und Spezialistin für den emotionalen Deep Shit
Ich brenne dafür, Menschen dabei zu unterstützen ihren ureigenen Weg zu finden und echtes Selbst-Bewusst-Sein zu entwickeln – abseits von Gesellschaftsmustern, familiären Prägungen und „das macht man halt so“. Mein Herz schlägt für Visionär*innen und Menschen, die das Gefühl haben, in unserer Gesellschaft fehl am Platz zu sein.
Ich selbst bin Entwicklungsjunkie und süchtig nach neuem Wissen und neuen Erfahrungen. Das hat dazu geführt, dass ich nach meinem Studium in Gesangspädagogik noch eine Ausbildung in Craniosaraler Körperarbeit und den Epigenetik Coach angehängt habe und da stehen noch ein paar mehr Dinge auf meiner Liste.
Ich schreibe hier über transgenerationale Vererbung, frühkindliche und pränatale Prägungen und wie sich das auf unser Leben auswirkt. Außerdem erzähle ich gerne meine eigenen Geschichten (oder die meiner Klient*innen), um zu zeigen, wie wir den alltäglichen Herausforderungen des Lebens begegnen können.
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