Zahlreiche Mythen ranken sich ums Thema Lampenfieber. Wenn ich mich mit Menschen über Bühnensituationen unterhalte, dann höre ich immer wieder spannende Aussagen. Auch im Internet kursiert so einiges, das bei mir erhobene Augenbrauen und Stirnrunzeln verursacht. Lampenfieber ist eine absolut ernstzunehmende Herausforderung. Viele Menschen, die davon betroffen sind, haben einen enormen Leidensdruck. Und immer wenn Leidensdruck im Spiel ist, sind Sätze, die so leicht als Wahrheit verkauft werden, sehr gefährlich. Denn entweder sie entmutigen Menschen oder sie reichen ihnen ein Rettungsseil, das sich vermutlich nach kurzer Zeit als sehr brüchig herausstellt.
Deshalb ist es mir wichtig, diese vielgesagten Sätze und Überzeugungen hier auseinanderzunehmen. Und Bewusstsein zu schaffen für das, was Lampenfieber wirklich ist: eine komplexe und höchst individuelle Angelegenheit, die sich bei vielen Menschen in ähnlichen Symptomen äußert.
Lampenfieber-Mythos Nr. 1: Nur junge, unerfahrene Menschen haben Lampenfieber
Das stimmt definitiv nicht! Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Und ich kenne einige Menschen, darunter auch Klient:innen von mir, die trotz jahrelanger Erfahrung noch unter extremem Lampenfieber leiden. Sogar Menschen, die bei hochkarätigen Veranstaltungen (wie z.B. den Salzburger Festspielen) auf der Bühne stehen und demnach schon eine ordentliche Karriere hingelegt haben, leiden noch immer unter Lampenfieber. Manchmal in einem Ausmaß, dass sie sich überlegen, ihren Job aufzugeben.
Natürlich stimmt es, dass die ersten Male auf einer Bühne oder vor großem Publikum sehr aufregend sind. Und es kann sein, dass vor allem die ersten Auftritte mit besonders starkem Lampenfieber einhergehen. Tatsächlich lässt sich aber da kein allgemeingültiger Zusammenhang herstellen. Oft haben junge Menschen noch eine Art jugendliche Unerschrockenheit, die dann auch das Lampenfieber reduziert. Und ältere und erfahrenere Menschen spüren den Druck, ihre Position zu sichern und leiden deshalb unter stärkerem Lampenfieber.
Dieser Mythos also kann zur Gänze entkräftet werden. Da gibt es schlicht keinen haltbaren Zusammenhang.
Lampenfieber ist eine hochgradig individuelle Angelegenheit. Ab 12. Mai starte ich einen Durchlauf von meinem ersten Lampenfieber-Gruppenkurs, indem ich meine eigene Herangehensweise an Lampenfieber teile. Alle Infos findest du hier:
Lampenfieber-Mythos Nr. 2: Menschen merken sofort, wenn du Lampenfieber hast
Menschen im Publikum merken sehr viel weniger, als wir auf der Bühne oft denken. Aus meiner Sicht gibt es dafür unterschiedliche Gründe.
Zum einen kann es sein, dass unser Erleben im Moment auf der Bühne einfach intensiver ist. Wie oft hab ich es schon erlebt, dass ich einen Fehler gemacht habe, der mir riesig und schwerwiegend vorkam, aber wenn ich mir nachher die Aufnahme angehört hab, dann war davon fast nichts zu hören. So ähnlich kann es auch mit Lampenfieber sein. Für uns auf der Bühne ist es unglaublich stark, aber das Publikum kriegt davon oft gar nichts mit.
Zum anderen hören oder sehen uns die Menschen oft zum ersten Mal und haben keinen Vergleich. Sie wissen nicht, was anders sein könnte. Auch die Stücke kennen sie lange nicht so gut wie wir und kriegen dementsprechend auch von Fehlern oder Unsicherheiten wesentlich weniger mit, als wir oft denken. Ich muss da immer wieder an ein Konzert denken, das ich vor Jahren mit einem Gesangsensemble hatte. Wir haben ein Stück von Gesualdo gesungen und mittendrin hat jemand von uns falsch eingesetzt. Die Hälfte des Ensembles ging mit dem falschen Einsatz, die andere Hälfte sang korrekt weiter. Das war ein echtes Chaos für ein paar Takte, bis wir wieder zueinander fanden. Am Ende des Konzerts kamen tatsächlich Menschen und sagten: Dieses Stück war der Wahnsinn. Das war sooo schön!
Was bei diesem Punkt natürlich nicht zu vernachlässigen ist, sind unsere Spiegelneuronen. Menschen im Publikum können (wenn sie dafür offen sind und ihren Körper gut kennen) spüren, wenn du aufgeregt bist. Das heißt, es wird vermutlich einige (wenige) Menschen im Publikum geben, die merken, dass du aufgeregt bist. Aber bei vielen löst das vor allem eines aus: Mitgefühl, Verständnis und Erleichterung, dass sie nicht selbst in dieser Situation sind. Ein kleiner Fun Fact am Rande: je mehr du versuchst, dein Lampenfieber zu verstecken und zu überspielen, umso sichtbarer und spürbarer wird es.
Lampenfieber-Mythos Nr. 3: Mit Lampenfieber kannst du nicht erfolgreich sein
Diesen Satz hab ich ja eigentlich oben schon entkräftet, als ich von den erfolgreichen Menschen erzählt habe, die trotz viel Erfahrung und beachtlicher Karriere immer noch extrem unter ihrem Lampenfieber leiden. Trotzdem muss man diesen Satz ein bisschen differenzierter betrachten. Denn wenn du jedes Mal bei einem Probespiel, Vorsprechen oder Vorsingen so starkes Lampenfieber hast, dass du nicht mehr wirklich auf deine Fähigkeiten zugreifen kannst, dann wir natürlich auch nicht so schnell jemand erkennen, was du wirklich kannst. Weil du es in der Situation schlicht nicht zeigen kannst. Und gerade am Anfang ist es noch sehr unüblich, dass bei einem Konzert (bei dem du vielleicht weniger Lampenfieber hast) jemand im Publikum sitzt, der dich dann vom Fleck weg engagiert.
Doch wie ich oben schon gesagt habe: bei Lampenfieber gibt es so extrem viele unterschiedliche Ausprägungen. Deshalb ist es durchaus möglich, dass jemand mit starkem Lampenfieber vor dem Konzert extrem drunter leidet, die ersten Töne noch die Hölle sind und es sich dann aber irgendwie legt und beruhigt. In diesem Fall ist dann vermutlich der Zugriff auf die eigenen Fähigkeiten möglich, auch wenn die Zeit vor dem Konzert oder der Audition die Hölle war.
Ein Tabu möchte ich an dieser Stelle auch noch ansprechen: Medikamenten- und Alkoholmissbrauch. Viele Menschen, die unter starkem Leistungsdruck und Lampenfieber leiden, nehmen vor dem Konzert Betablocker. Oder trinken ein paar Gläschen, um lockerer und wurschtiger zu werden. In beiden Fällen leidet vielleicht nicht die Leistungsfähigkeit, aber definitiv die Gesundheit. Aus meiner Sicht sollte man hier eher eine andere Lösung für das Lampenfieber finden.
Lampenfieber-Mythos Nr. 4: Lampenfieber wird dich immer daran hindern zu zeigen, was du kannst
Wie oben schon beschrieben: das muss nicht sein. Denn es gibt durchaus Ausprägungen von Lampenfieber, die es zulassen, dass du zeigst, was du kannst. Hier möchte ich aber vor allem auf das Wörtchen „immer“ Bezug nehmen. Denn dieser Satz beinhaltet auch die Überzeugung, dass Lampenfieber „unheilbar“ ist. Sprich einmal Lampenfieber – immer Lampenfieber.
Das kann ich aus eigener Erfahrung widerlegen. Ich hatte früher höllisches Lampenfieber. Völlig unberechenbar. Mal kam es, mal kam es nicht. Mal gab es wichtige Konzerte oder Aufführungen, in denen ich einfach nur Spaß hatte und mal war ein kleiner Auftritt, bei dem es um gar nichts ging, die Hölle. Und alles dazwischen. Heute sieht das anders aus. Ich bin aufgeregt und manchmal auch sehr aufgeregt, aber diese Zustände, in denen ich nicht weiß, ob ich noch bei Bewusstsein von der Bühne komme, die gibt es nicht mehr. Mein Lampenfieber hat sich verändert. Und meine Haltung zum Lampenfieber auch.
Bei Klient:innen von mir habe ich ähnliches erlebt. Oft ist nicht das Lampenfieber an sich das Problem, sondern das, was unser Kopf und in Folge dessen unser Körper daraus macht. Eine Klientin von mir hat es hier ganz wunderbar beschrieben:
Lampenfieber-Mythos Nr. 5: Du solltest dich vor dem Auftritt isolieren, um ruhig zu bleiben
Dieser Satz fällt in die Kategorie: Es gibt kein One size fits all. Es kann sein, dass du zu den Menschen gehörst, die vor dem Auftritt / der Audition Ruhe brauchen. Aber das heißt auch noch nicht, dass du diese Ruhe brauchst, um ruhig zu bleiben. Vielleicht brauchst du sie für deine Konzentration, für deinen Fokus. Es gibt aber genauso viele Menschen, die lieber in den Austausch gehen bevor sie auf der Bühne sind. Für mich zum Beispiel ist Verbindung eine der wichtigsten Dinge in meinem Leben. Fühle ich mich verbunden, bin ich geerdeter, entspannter, glücklicher und tatsächlich auch leistungsfähiger. Deshalb bin ich persönlich sehr gerne in guter Gesellschaft vor Konzerten oder Aufführungen.
Allerdings ist es wichtig, immer zu schauen, mit wem genau du dich umgibst. Denn manche Menschen sind tatsächlich nicht „förderlich“. Gerade wenn du sehr sensibel bist und Zustände oder Stimmungen von anderen schnell aufnimmst, wäre es vermutlich für deine eigene Aufregung kontraproduktiv, wenn du direkt vor der Bühne mit jemanden in Kontakt gehst, der oder die selbst völlig panisch ist. Oder ein anderes Beispiel aus meinem Leben: früher hat mich exzessive Selbstdarstellung wahnsinnig getriggert. Wenn jemand vor dem Konzert mit den eigenen Erfolgen geprahlt hat, dann hat es bei mir dazu geführt, dass ich mich klein und unbedeutend gefühlt habe. Das war nicht die beste Voraussetzung für Ruhe, Gelassenheit und entspannten Fokus.
Für beide oben beschriebenen Fälle gibt es aber Lösungen. Kein Quick Fix, aber dafür nachhaltig. Auch darum wird es in meinem Lampenfieber-Gruppenkurs ab Mai gehen. Weitere Infos findest du HIER.
Lampenfieber-Mythos Nr. 6: Lampenfieber verschwindet einfach mit der Zeit
Ja, es kann sein, dass du dich mit der Zeit an Bühnensituationen gewöhnst und dein System keinen Alarm mehr schlägt. In den meisten Fällen, die ich kenne, haben die Menschen aber aktiv an ihrem Lampenfieber gearbeitet, um eine Verbesserung zu erzielen. Wenn das Lampenfieber nicht allzu stark ist und keine tiefsitzenden Glaubenssätze damit in Verbindung stehen, dann kann es sein, dass Atemübungen oder andere Übungen, die das Nervensystem beruhigen, bereits helfen.
Handelt es sich um starkes Lampenfieber, das vielleicht sogar (wie bei es bei mir war) unkontrolliert und völlig unberechenbar auftritt, dann ist aus meiner Sicht tatsächlich eine wesentlich tiefgehendere Arbeit nötig. Mit Übungen kannst du dich gut beruhigen, wenn du noch die Kapazitäten dafür hast. Überfällt dich das Lampenfieber aber plötzlich und stark, dann hast du keine Handlungsmöglichkeit mehr, weil dein System schon im Überlebensmodus ist. Da kannst du dann rational gar nichts mehr lösen.
Deshalb ist es wichtig, sich anzuschauen, was eigentlich hinter dem Lampenfieber steckt. Oft hat das, was das Lampenfieber in dir verursacht nämlich ursprünglich gar nicht direkt etwas mit der Bühnensituation zu tun. In vielen Fällen ist es ein komplexes Zusammenspiel aus ganz frühen Kindheitserfahrungen, transgenerationaler Vererbung und belastenden Erfahrungen aus deinem Jugend- oder Erwachsenenleben. Genau das schauen wir uns im Lampenfieber-Kurs aber genau an. So lässt sich eine individuelle Herangehensweise für jede:n erarbeiten.
Lampenfieber-Mythos Nr. 7: Je besser du vorbereitet bist, umso weniger Lampenfieber hast du
Keine Frage! Schlechte Vorbereitung kann stressen. Und Stress und Lampenfieber ergänzen sich wunderbar. Aber auch wenn schlechte Vorbereitung ein Lampenfieber-Trigger sein kann, so heißt das noch lange nicht, dass gute Vorbereitung das Lampenfieber verschwinden macht. Denn wenn die Ursache fürs Lampenfieber woanders sitzt, dann ist die beste Vorbereitung egal. Deshalb helfen auch die vielgepriesenen Visualisierungs-Übungen, um sich auf die Situation einzustellen, vielen Menschen überhaupt nicht.
Auch hier kann ich wieder eine „Beweis-Situation“ aus meinem eigenen Bühnenleben bringen. Vor einigen Jahren hab ich recht viel Kirchenmusik-Gschäftln gesungen (btw. schlechtest bezahlter Job ever in Wien). Bei einem Dirigenten gab es immer unterschiedliche Besetzungen. Mal eine Messe im Soloquartett und mal eine Messe im kleinen Chor (meistens zu dritt oder viert pro Stimme). Bei der Anfrage wurde das dazugesagt. Meine Devise war immer: Chor geht vom Blatt, Solo schau ich mir doch vorher einmal an. Problem an der Sache: ich hab zwei Anfragen verwechselt. Und dann stand ich da in dieser Kirche und realisierte, dass keine Kolleginnen aus meiner Stimmgruppe mehr auftauchen würden. Und ich diese Messe jetzt solistisch vom Blatt singen würde. Das wäre ja eine klassische Lampenfieber-Situation gewesen.
Ich war aber tatsächlich nicht aufgeregt. Ich war hochgradig fokussiert und das Fazit der ganzen Sache war: Solistisch vom Blatt geht auch.
Fazit: Weder Quick Fix noch lebenslanges Leiden
Was alle die Mythen gemeinsam haben: es steht entweder Hoffnung oder Resignation dahinter. Die Hoffnung, dass es irgendwann von alleine besser wird oder es DIE eine Wunderlösung gibt. Oder die Resignation, dass man als Lampenfieber-Betroffene:r sich halt einfach damit abfinden muss und nie dorthin kommen wird, wo man eigentlich gerne sein möchte.
Das Problem aus meiner Sicht: Lampenfieber wird viel zu allgemein und oberflächlich betrachtet. Deshalb gibt es zu viele Menschen, die mit unzähligen Tipps und Tricks vergeblich versucht haben, ihre Angst in den Griff zu kriegen. Verändern wir die Herangehensweise und schauen wir vor allem individuell auf die jeweilige Situation, Geschichte und Ausprägung bei den einzelnen Menschen, dann ist riesige Entwicklung und Transformation möglich.
Hast du Lust, meine Methode kennenzulernen? Dann sicher dir jetzt gleich einen Platz in meinem Lampenfieber-Gruppenkurs, den ich ab 12. Mai zum ersten Mal anbiete. Bei diesem ersten Durchlauf werde ich mit Hilfe der Teilnehmer:innen diesen Kurs perfektionieren und weiterentwickeln. Deshalb biete ich ihn zu einem deutlich günstigeren Preis an als in Zukunft.

Generose Sehr
Spezialistin für erfolgreiche und authentische Bühnenpräsenz und stabile Höchstleistungsfähigkeit
Ich brenne dafür, Menschen bei ihrer echten und erfolgreichen Bühnenpräsenz zu unterstützen.
Mein Credo: Technik berührt nicht – Persönlichkeit schon!
Wer wirklich mit der ganzen Persönlichkeit auf der Bühne steht, ist einzigartig, wiedererkennbar, unersetzlich und hochgradig leistungsfähig. Mein Herz schlägt für Visionär*innen und Menschen, die das Gefühl haben, in unserer Gesellschaft und in der Bühnenwelt fehl am Platz zu sein. Weil sie spüren, dass da noch so viel mehr möglich ist.
Ich selbst bin Entwicklungsjunkie und süchtig nach neuem Wissen und neuen Erfahrungen. Das hat dazu geführt, dass ich nach meinem Studium in Gesangspädagogik noch eine Ausbildung in Craniosaraler Körperarbeit und den Epigenetik Coach angehängt habe. Inzwischen bin ich bei IFS (Internal Family Systems) gelandet und da steht noch so einiges mehr auf der Liste.
Ich schreibe hier über Bühnenpräsenz, die Rolle von Stimme und Körper auf der Bühne, Lampenfieber und Höchstleistungsfähigkeit (High Performance). Mein Wissen und meine Erfahrung in den Bereichen transgenerationale Vererbung und frühkindliche und pränatale Prägungen fließt immer mit ein. Außerdem erzähle ich gerne meine eigenen Geschichten (oder die meiner Klient*innen), um zu zeigen, wie wir den alltäglichen Herausforderungen der Bühne und des Lebens begegnen können.