“Lass uns mal austauschen.”
“Ich weiß noch nicht, ob ich es schaffe. Vielleicht schau ich noch vorbei.”
So klingt Unverbindlichkeit!
War das schon immer so?
Oder ist das in den letzten Jahren schlimmer geworden?
Ich glaube, dass die letzten Jahre die Unverbindlichkeit in unserer Gesellschaft verstärkt haben.
Vielleicht bin ich altmodisch, weil ich sowas wie “Handschlagsqualität” und “Nägel mit Köpfen” liebe.
Aber ganz ehrlich: diese Unverbindlichkeit macht mich wahnsinnig. Ja, sie triggert mich!
Und natürlich hab ich da auch schon tiefer geschaut und weiß, warum Verlässlichkeit (= Verbindlichkeit) ein Punkt ist, der mir in meinem Leben extrem wichtig ist – hat ja schließlich was mit “verlassen (werden)” zu tun. Aber dazu komm ich später noch.
Deshalb werde ich hier in diesem Blogartikel eine Lanze brechen für die Verbindlichkeit.
Und ich wär nicht ich, wenn ich da nicht auch die entsprechenden Hintergründe beleuchten würde.
Wider der Unverbindlichkeit – ein Beispiel aus dem Alltag
Ich starte mit einer persönlichen Geschichte.
Vor drei Jahren war ich gemeinsam mit vielen tollen Frauen in einer Business-Coaching-Gruppe für Sängerinnen. Daraus sind viele tolle Verbindungen entstanden.
Mit vielen der Frauen habe ich heute noch Kontakt. Eine davon ist inzwischen eine sehr gute Freundin geworden. Mit anderen bin ich im beruflichen Austausch.
Im März haben wir zu dritt das erste Mal gesprochen.
Die Idee: lass uns doch einfach ein Wochenende zu dritt wegfahren. Austausch, Wellness, Spaß haben.
Wir waren alle von der Idee begeistert.
Kennst du das?
Und weißt du, was dann normalerweise passiert?
Man macht sich unverbindlich aus, dass man das “unbedingt mal” machen muss und sucht halbherzig einen Termin oder auch nur einen vagen Zeitraum.
Dann verläuft das alles im Sande.
Wie es bei uns lief:
➡️ Am 21.3. wurde die whatsapp-Gruppe erstellt.
➡️ Noch am gleichen Tag wurde das Wochenende festgelegt (18. – 20. Mai)
➡️ Am 26.3. gab es drei Hotels zur Auswahl.
➡️ Am 29.3. war das Zimmer gebucht und die Anfahrt besprochen.
Nächste Woche ist es soweit und ich freu mich wie Sau!
DAS ist Verbindlichkeit!
Warum genau ist das so schwierig für viele Menschen und besonders im Moment?
Unverbindlichkeit = fehlende Verantwortung
Verbindlichkeit beinhaltet die Übernahme von Verantwortung für die eigenen Handlungen und Zusagen. Es geht darum, seine Verpflichtungen ernst zu nehmen und die Konsequenzen des eigenen Handelns zu tragen.
Ja, vielleicht wäre eine Anfrage für ein großes Konzert gekommen.
Vielleicht hätte ich genau an diesem Wochenende den perfekten Workshop halten können.
Vielleicht, vielleicht, vielleicht.
Mit meiner Entscheidung für eine Handlung schließe ich andere Handlungsmöglichkeiten aus. Natürlich kann ich mich immer umentscheiden und es ist auch gut, sich dieser Wahlmöglichkeit bewusst zu sein.
Aber im ersten Moment entscheide ich mich für eine Sache und lasse tausende andere Möglichkeiten außen vor.
Wenn ich nun doch absage, dann muss ich die Konsequenz tragen, zwei Menschen “sitzen zu lassen”, die sich auf mich verlassen haben.
Gehe ich keine Verbindlichkeit ein, trage ich auch keine Verantwortung.
Aber stimmt das wirklich? Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung.
Es ist eine Entscheidung gegen Selbstbestimmung. Ein Wert, der in unserer Gesellschaft hochgehalten wird. Immer mehr Selbstbestimmungs-Coaches sprießen aus dem Boden. Aber Selbstbestimmung geht immer einher mit Selbstverantwortung.
Dafür braucht es aus meiner Sicht kein Coaching. Es braucht nur den Willen, Verantwortung zu übernehmen und den Willen zur Verbindlichkeit!
Unverbindlichkeit = Unzuverlässigkeit
Verbindlichkeit schafft Zuverlässigkeit. Denn auf verbindliche Menschen kann ich mich verlassen.
Verlässlichkeit schafft Sicherheit.
Wenn wir weit zurückgehen in unserer eigenen Geschichte, dann wird klar, dass Verlässlichkeit etwas ist, was uns als Kinder das Überleben gesichert hat. Wären unsere Eltern nicht verlässlich da gewesen für uns, dann wären wir alle gestorben.
Und für alle, die sich schon tiefer mit dem Thema auseinandergesetzt haben: wir haben alle Situationen und Erlebnisse in uns gespeichert, wo wir uns nicht auf die Menschen in unserer Umgebung verlassen konnten. Das sind starke Verletzungen, die unser Verhalten und Empfinden bis heute prägen.
Deshalb ist Verlässlichkeit in Freundschaften und Beziehungen ein Wert, den die meisten Menschen ganz vorne auf ihrer Prioritätenliste haben.
Zu tief sitzt die Erfahrung des “verlassen werdens”.
Unter diesem Aspekt betrachtet ist fehlende Verbindlichkeit ein enormer emotionaler Trigger für die allermeisten Menschen.
Und nur, weil wir schon so daran gewohnt sind und unser Empfinden diesbezüglich runtergeregelt haben, heißt es nicht, dass diese Verletzung in uns nicht mehr existiert.
Vielleicht (und das ist jetzt eine gewagte These) ist auch das mit ein Grund, warum sich so viele Menschen gerade innerlich unsicher fühlen?!
Unverbindlichkeit = mangelnde Kommunikation
Nur mit klaren Absprachen und der Klärung von Erwartungen und Zielen ist Verbindlichkeit möglich.
Klare Kommunikation wiederum setzt voraus, dass ich
- meine eigenen Bedürfnisse und Grenzen kenne
- weiß, was ich will
- bereit bin, für meine Bedürfnisse und Grenzen einzustehen
- offen bin für die Standpunkte und Anliegen der anderen
Tja, da wird mir beim Schreiben hier gerade so einiges klar.
Bei den allermeisten meiner Klient:innen ist Grenzen setzen und die eigenen Bedürfnisse spüren ein großes Thema mit viiiiel Entwicklungspotential.
Natürlich ist es da viel leichter, keine Entscheidung zu treffen und keine Zusagen zu machen.
Aber hast du schon mal gespürt, wie wohltuend es ist, wenn du ein Gegenüber hast, das ganz klar kommunizieren kann, wo du einfach genau weißt, woran du bist.
Wo du nicht raten musst, ob sie oder er das jetzt wirklich so meint oder ob du da eine versteckte Botschaft erkennen musst?
Ich glaub, es ist Zeit, dass wir das alle beherrschen!
Es reduziert Missverständnisse (und wenn doch, dann sind sie schnell geklärt), es bringt Klarheit in alle Beziehungen und Aktivitäten und es wird alles viel entspannter und leichter.
Wär doch cool oder?
Unverbindlichkeit = Misstrauen
Kennst du solche Menschen, mit denen du dir was ausmachst und dann sagen sie ab. Beim ersten Mal bist du noch sehr entspannt und verständnisvoll.
Beim zweiten Mal ist es schon ärgerlicher, aber ok, kann passieren.
Beim dritten Mal wirds dann komisch. Je nachdem, wie du tickst, wirst du vielleicht wütend, du resignierst, ziehst dich zurück oder beschließt selbst, diese Verabredung nicht mehr ernstzunehmen und nur noch einzuhalten, wenn nichts Besseres daherkommt.
Und jetzt stell dir vor, das passiert in einer Freundschaft. Oder in einer Beziehung. Oder mit jemandem, mit dem du zusammenarbeitest.
Vermutlich hast du nicht mehr besonders viel Vertrauen zu dieser Person.
Und wenn du jetzt nochmal genauer hinschaust, dann wirst du merken, dass das Vertrauen in diese Person nicht nur in Bezug auf Termine leidet, sondern auch in anderen Bereichen.
Denn wenn wir einmal irgendwo das Gefühl haben, jemandem nicht mehr vertrauen zu können, dann tendieren wir dazu, dieses Gefühl in alle Bereiche zu übertragen.
Verbindlichkeit – Verlässlichkeit – Vertrauen
Ein unschlagbares Trio.
Unverbindlichkeit = Untreue mir selbst gegenüber
Mindestens genauso wichtig wie die Verbindlichkeit gegenüber anderen Menschen ist die Verbindlichkeit uns selbst gegenüber.
Es bedeutet, dass wir klare Entscheidungen für uns treffen, Ziele setzen und diese konsequent verfolgen. Natürlich gehen wir damit auch das Risiko ein, dass es nicht funktioniert.
Enttäuschungsprophylaxe. Ein wunderbares Wort, das ich vor kurzem in meiner Mastermind von meiner Mentorin Laura Roschewitz gelernt habe.
Das Phänomen, dass wir keine klaren Ziele setzen, keine Entscheidungen treffen, aus Angst vor der Enttäuschung, die folgt, wenns nicht so klappt, wie wir es gehofft haben.
Ich kenn das von mir sehr sehr gut. Wie oft hab ich mich nicht für ein Vorsingen beworben, weil ich mir die Enttäuschung ersparen wollte.
Wie viele Male hab ich mich schon davor gedrückt, irgendwelche Menschen anzuschreiben, aus der Angst heraus, ein Nein zu kassieren oder eine blöde Antwort zu kriegen.
Wusstest du, dass Enttäuschungsprophylaxe und Schwierigkeiten beim Grenzen setzen Geschwister sind?
Die Angst, Nein zu sagen und für sich einzustehen, geht immer einher mit der Angst, ein Nein zu kassieren.
Womit wir wieder bei den Bedürfnissen und der klaren Kommunikation wären. Schon cool, wie das alles zusammenhängt, gell?
Mein persönlicher Appell
Das Schreiben dieses Artikels hat mir echt geholfen!
Mir sind nun einige Zusammenhänge klarer und gleichzeitig bin ich voll on Fire für die Verbindlichkeit aufzustehen und sie bedingungslos in mein Leben zu integrieren.
Noch konsequenter, als ich bisher getan habe.
Ja, das ganze ist aus vielen vielen Trigger-Momenten der letzten Wochen und Monate heraus entstanden.
Wenn ich mich mit Triggern und den dahinterstehenden Emotionen beschäftige, heißt das nicht automatisch, dass ich sie “auflöse”.
Es kann auch bedeuten, dass ich für mich eine klare Entscheidung treffe, wie ich in Zukunft mit einer bestimmten Situation umgehen möchte.
Ich werde die Unverbindlichkeit nicht ausrotten können. Aber ich kann mich für Verlässlichkeit und Verbindlichkeit in meinem Leben entscheiden. Ich kann versprechen, mir selbst gegenüber verbindlich zu sein.
Wenn ich das konsequent tue und dafür einstehe, dann werde ich über kurz oder lang auch Menschen in meinem Leben haben, denen das genauso wichtig ist.
Natürlich sind wir alle überflutet mit Angeboten und Möglichkeiten. Wir haben wieder alle Optionen, die wir auch vor drei Jahren hatten und zusätzlich gibt es die ganzen Online-Angebote, die in der Pandemie-Zeit entstanden sind.
Ja, es ist ein riesiges Angebot, in vielen Bereichen ein Überangebot.
Aber ich bin davon überzeugt, dass klare Entscheidungen und direkte Kommunikation ein wesentlicher Schlüssel für ein entspannteres Leben sind.
In diesem Sinne ein paar konkrete Beispiele für deinen Alltag:
- wenn du Lust auf eine Veranstaltung, ein Retreat, einen Kurs hast: meld dich an und geh hin – es ist dein Bedürfnis, dem du da folgst
- wenn du eine Nachricht kriegst: beantworte sie – auch wenn es bedeutet, dass du jemandem eine Absage geben musst
- wenn du einen Traum hast: verfolge ihn – du wirst es mehr bereuen, wenn du es nie tust, als wenn du es probierst, scheiterst und deine Erfahrungen und Erkenntnisse daraus ziehst
- wenn du weißt, dass ein Workshop, ein Treffen, ein Projekt zeitlich nicht in deinen Kalender passt oder du keine Lust drauf hast: sag ab und zwar gleich – es hilft dir und auch den anderen
Aus Verbindlichkeit entsteht Verbindung!
Denn echte Verbindung existiert nur dort, wo Verlässlichkeit und klare Kommunikation zu Vertrauen führen.
Das gilt auch für die Verbindung zu dir selbst.
Generose Sehr
Sängerin und Spezialistin für den emotionalen Deep Shit
Ich brenne dafür, Menschen dabei zu unterstützen ihren ureigenen Weg zu finden und echtes Selbst-Bewusst-Sein zu entwickeln – abseits von Gesellschaftsmustern, familiären Prägungen und „das macht man halt so“. Mein Herz schlägt für Visionär*innen und Menschen, die das Gefühl haben, in unserer Gesellschaft fehl am Platz zu sein.
Ich selbst bin Entwicklungsjunkie und süchtig nach neuem Wissen und neuen Erfahrungen. Das hat dazu geführt, dass ich nach meinem Studium in Gesangspädagogik noch eine Ausbildung in Craniosaraler Körperarbeit und den Epigenetik Coach angehängt habe und da stehen noch ein paar mehr Dinge auf meiner Liste.
Ich schreibe hier über transgenerationale Vererbung, frühkindliche und pränatale Prägungen und wie sich das auf unser Leben auswirkt. Außerdem erzähle ich gerne meine eigenen Geschichten (oder die meiner Klient*innen), um zu zeigen, wie wir den alltäglichen Herausforderungen des Lebens begegnen können.
Danke für deinen wertvollen Beitrag. Du sprichst mir voll aus dem Herzen.
Lieber Gruß Luise
Sehr gerne. Danke dir für dein Feedback. Gerade sitze ich an Teil 2 – der wird in kurzer Zeit veröffentlicht 😀